Warum die eigenen Bedürfnisse so wichtig für die Kinderbeziehung sind

Ich habe vor mittlerweile fast 20 Jahren schmerzhaft erkannt, dass ich im Umgang mit meinen Kindern und meinen Schüler*innen, meinem Mann, aber nicht zuletzt auch im Verhalten zu mir selbst etwas ändern „muss“, wenn ich meinen Kindern, Schüler*innen, meinem Mann und auch mir in Zukunft eine liebevolle, verständnisvolle und geduldige Begleiterin sein will. Diesen Entschluss habe ich nicht ganz freiwillig getroffen. Auslöser war große emotionale Not.

Mein Leben fühlte sich in mir immer „schwerer“ an, obwohl das Außen „perfekt“ war. Mein eigener Erwartungsdruck, wie denn meine Kinder, Schüler*innen, mein Mann sein MÜSSTEN, wie sie sich „richtig“ verhalten müssten, was MAN alles tun MUSS, wie ICH empfinden, sein, … MÜSSTE, hat mein Leben in eine Richtung gesteuert, in der für mich immer weniger Platz für Leichtigkeit und Lebensfreude war.

Der Schlüssel zur Veränderung liegt in mir

Damals habe ich erkannt, dass es an mir liegt, etwas im Umgang zu meinen Kindern, zu meinen Schüler*innen, meinem Mann und auch zu mir zu verändern. Ich habe mich entschieden, mir selbst, meinen Glaubenssätzen, meinen Werten, … auf die Schliche kommen zu wollen, damit sich mein Leben wieder leichter und freudvoller anfühlen kann.

„ROLLENSPIELE“ oder „TUT MAN (NICHT)“

Eine meiner ersten und schmerzhaftesten Erkenntnisse war dabei, dass ich spürte, dass ich in vielen Lebensbereichen eine „Rolle“ spielte, eine Maske trug. Ich erfüllte viele „TUT MAN (NICHT)“, „GEHÖRT SICH“, „DAS MACHT EINE GUTE MUTTER“, „SO VERHÄLT SICH EINE GUTE LEHRERIN“, etc. Und all diese Rollen verdeckten den Menschen in mir. Sie erschwerten die Beziehungen zu meinen Kindern und Schüler*innen, machten sie an manchen Stellen fast unmöglich.
Denn Kinder und Jugendliche suchen instinktiv den Menschen hinter unseren Rollen. Sie haben eine unglaublich feine Sensorik dafür, ob wir das, was wir sagen auch so meinen. Irgendwann habe ich betroffen festgestellt, dass ich MICH eigentlich nicht wirklich kannte, dass ich oft nicht wusste, was ICH eigentlich gerade fühlte bzw. wollte.

Damals stieß ich auf den Begriff der Bedürfnisse. Als ich mich mit diesem Begriff näher beschäftigte, konnte ich plötzlich ein Licht am Ende des Tunnels erkennen. Ich fühlte mich wieder handlungsfähig. Als ich verstand, dass IMMER ein Bedürfnis hinter den Handlungen ALLER Menschen steht, da konnte ich meinen Blickwinkel auf die unterschiedlichen herausfordernden Situationen in meinem Leben ändern.

Selbsterkenntnis: Was sind Bedürfnisse, was sind Strategien?

Marshall Rosenberg unterscheidet in seiner gewaltfreien Kommunikation Bedürfnisse von Strategien.

Bedürfnisse…

  • sind universell, d.h. alle Menschen haben die gleichen Bedürfnisse, unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft (vgl. die maslowsche Bedürfnispyramide).
  • sind unabhängig von einer bestimmten Person, einem bestimmten Ort und einem bestimmten Zeitpunkt.
  • dienen der Lebenserhaltung. Bleiben sie über einen längeren Zeitraum unerfüllt, werden wir seelisch und/oder körperlich krank oder gehen sogar zugrunde.
  • sind abstrakt, im Gegensatz zu Strategien, die wir zur Erfüllung unseres Bedürfnisses einsetzen.
Abgrenzung Bedürfnisse – Strategien

Wenn ich beispielsweise das Bedürfnis nach Ruhe habe, dann kann ich zur Erfüllung dieses Bedürfnisses eine Vielzahl von Strategien finden. Viele dieser Strategien haben wir in unserer Kindheit gelernt bzw. von den uns umgebenden Erwachsenen übernommen. Es waren in unserer Kindheit, als wir den Eltern noch „ausgeliefert“ waren, oft Überlebensmuster, die uns geholfen haben, unsere Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Als Erwachsene sind diese Strategien oft im Umgang mit anderen mehr hinderlich als hilfreich.

Unsere Strategien zur Erfüllung unserer Bedürfnisse sind oft “schräg”

Wenn ich…

  • als Lehrer*in mein Bedürfnis nach Ruhe beispielsweise nur durch Schreien, Angst verbreiten und Beschimpfungen durchsetzen kann, habe ich wahrscheinlich bald ein Problem mit Schüler*innen und deren Eltern.
  • als Mutter das Bedürfnis nach Anerkennung über das „Funktionieren“ und „Brav-Sein“ meines Kindes definiere, dann werde ich jede (vielleicht noch so berechtigte) Kritik am Verhalten meines Kindes als persönlichen Angriff und als persönliches Versagen interpretieren.
  • als Vater das Bedürfnis nach Nähe und Zusammengehörigkeit dadurch erzwinge, dass meine Familie (inkl. 16-jährigem Sohn gegen seinen Willen) die Freizeit an jedem Wochenende miteinander verbringt, dann erreiche ich wahrscheinlich eher das Gegenteil. Denn eines der wesentlichen Grundbedürfnisse von Jugendlichen ist u. a. Autonomie und Selbstbestimmtheit.
Wichtiger Schritt zur Selbsterkenntnis: Was ist dein ehrliches Bedürfnis?

Als ich mir damals dieses „Bedürfnis-Phänomens“ bewusst wurde, haben sich in meinem Denken und Handeln plötzlich neue Türen geöffnet. Ich habe Schritt für Schritt gelernt, in Konflikten innezuhalten und mich zu fragen, welche Bedürfnisse auf beiden Seiten gerade erfüllt werden wollen. Allein dieses Innehalten hat manchmal dazu geführt, dass sich „kleine“ Konflikte in Luft aufgelöst haben, wenn es mir gelungen ist, mein Bedürfnis auszudrücken und mit dem meines Gegenübers abzustimmen.

Bedürfnis-Transparenz ermöglicht Wunder

In manchen Situationen habe ich dann auch „Wunder“ erleben dürfen. Mit „Wunder“ meine ich beispielsweise unterschiedliche Konflikt-Situationen zwischen Eltern und Lehrern, die sich in Wohlgefallen auflösen konnten, nachdem alle Involvierten bereit waren, ihre „Masken“ oder „Schutzpanzer“ abzulegen und ihre wirklichen Bedürfnisse offen zu legen. Sobald der Mensch hinter der Rolle des Lehrers bzw. der Mutter oder des Vaters sichtbar wurde, war ein konstruktives Miteinander zum Wohle des Kindes möglich.

Ich freue mich wieder über eure Kommentare, Fragen und Anregungen.

Herzliche Grüße
Eure

Ines Berger

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