Konflikte mit dem Kind: Ist es Zeit für mehr eigene Verantwortung?

Wenn du als Mutter bzw. Vater ganz ehrlich bist, fallen dir bestimmt Situationen ein, in denen zu viel Verantwortung übernommen hast – und durch die Konflikte mit deinem Kind entstanden sind. Aber auch als Tante, Onkel, Oma, Opa oder enge Familienvertraute hast du womöglich schon Momente miterlebt, in denen Kindern und vor allem Teenagern zu wenig Eigenverantwortung zugetraut wurde. Solche Situationen sind nicht ungewöhnlich, bergen jedoch gerade in der Beziehung zu Jugendlichen ordentlich Konfliktpotenzial.

Ein selbständiges Kind braucht die Chance, Verantwortung zu übernehmen

Wo hast du mehr Verantwortung für dein Kind übernommen, als dir oder ihm guttut? Und wie kannst du diese Verantwortung Stück für Stück wieder liebevoll zurückgeben? Sodass du einerseits dein Kind dabei unterstützt, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu lernen. Und du gleichzeitig nicht mehr das Gefühl hast, die ganze Verantwortung für euer Zusammenleben laste auf deinen Schultern.

Auch wenn wir unsere Kinder zur Selbständigkeit erziehen und ihnen die besten Voraussetzungen für ihr Leben mitgeben möchten, fällt es oft schwer, die Verantwortung loszulassen. Deshalb stelle ich dir in diesem Artikel acht Schritte vor, mit denen es dir zukünftig leichter fallen wird, deinem Kind bzw. Teenager die Chance auf mehr Eigenverantwortung zu geben, indem du eure Konflikte genauer betrachtest.

1. Schritt : Halte inne und betrachte eure Konflikte

Steig aus dem Hamsterrad aus und beobachte für ca. 14 Tage euren Alltag: Wie oft streitet ihr wirklich? Wodurch entstehen Konflikte? Worum geht es dabei KONKRET (Computer, Mithilfe im Haushalt, Schule, Ausgehen, Handy …)? Schreibe dir alles in ein kleines Büchlein! UND: Vergiss nicht, auch die Situationen aufzuschreiben, die schon wunderbar gelingen. Notiere all die Dinge, die dein Kind und/oder du bei Konflikten schon sehr gut machen. Jedes Detail, das du beobachtest, wird dir im Folgenden weiterhelfen. Ändere dafür auch immer wieder bewusst deine Perspektive!

2. Schritt: Analysiere deine Beobachtungen

Was sind die häufigsten Streitpunkte? Was passiert vor einem Konflikt? Wie geht ihr im Anschluss an einen Konflikt miteinander um? Sprecht ihr darüber, wenn sich die Emotionen wieder beruhigt haben? Geht ihr euch eine Zeit lang aus dem Weg? Gibt es vielleicht beleidigtes Schweigen oder sogar Liebesentzug? Normalerweise lassen sich die Auslöser für Konflikte in Familien mit Jugendlichen auf ca. fünf bis sieben Themen eingrenzen.

3. Schritt: Finde für dich heraus, welcher der Konfliktpunkte dich am meisten stört

Beschränke dich dabei auf EINEN!

4. Schritt: Frage dich ehrlich, was dich daran so stört und warum du dabei emotional reagierst

Fehlt es dir vielleicht an Wertschätzung, Respekt, fühlst du dich zu wenig ernstgenommen? Welches Bedürfnis wird bei dir nicht erfüllt? Ist es DEIN Bedürfnis oder steckt vielleicht ein alter Glaubenssatz dahinter, wie etwa: „Das tut man (nicht)“ oder „Das gehört sich (nicht)“.

5. Schritt: Warum entsteht der Konflikt?

Finde heraus, ob der Konflikt dadurch entsteht, dass du Dinge übernommen hast, die eigentlich nicht in deiner Verantwortung liegen. Und bei denen dein Kind zu Recht nicht will, dass du dich einmischst.

6. Schritt: Wer kann den Konflikt lösen?

Wenn du ehrlich für dich analysiert hast, was die Ursache für den wiederkehrenden Konflikt ist, dann gehe in dich. Überlege, ob du allein diesen Konflikt lösen kannst, indem du z.B. lernst, dieses Thema loszulassen. Oder ob du dabei die Unterstützung deines Kindes oder deiner Partnerin beziehungsweise deines Partners brauchst.

7. Schritt: Variante A – „Mein“ Konflikt

Du hast erkannt, dass das Problem „allein“ bei dir liegt. Dich stört z.B. die Unordnung im Kinderzimmer, du weißt, dass es sich um die Privatsphäre deines Kindes handelt, die dich eigentlich nicht betrifft – solange die Unordnung nicht in der ganzen Wohnung herrscht. Dann überlege dir, was dir dabei helfen könnte loszulassen.

Was daran stört dich wirklich? Sind es z.B. die von dir gebügelten Kleider und T-Shirts, die am Boden liegen? Dann könntest du beispielsweise aufhören, die Sachen deines Kindes zu bügeln, wenn du deine Arbeit zu Recht nicht wertgeschätzt siehst. Doch bevor du ins Handeln kommst, solltest du darüber möglichst emotionslos mit deinem Kind sprechen und ihm (in deinen Worten) etwa Folgendes mitteilen: „Ich habe bemerkt, wie oft wir wegen der Unordnung in deinem Zimmer streiten. Das möchte ich nicht mehr. Es ist dein Zimmer und ich werde ab heute lernen zu respektieren, dass für dich diese Unordnung ok zu sein scheint. Und ich werde ebenfalls ab heute deine Wäsche nicht mehr bügeln, da ich merke, wie sehr es mich ärgert, wenn die gebügelte Wäsche zerknüllt in deinem Zimmer liegt. Was sagst du dazu?“ Im Anschluss könnt ihr darüber diskutieren, ob dein Kind sein Verhalten ändern will oder ob es mit ungebügelter Wäsche leben kann und möchte. Sehr oft habe ich erlebt, dass jugendliche Kinder nämlich gar kein Problem mit ungebügelter Wäsche haben.

Wenn du dich bei einem Gedanken erwischst, der in etwa so lautet: „Was werden dann die anderen sagen?“, darfst du dich wieder entscheiden: Ist dir die Meinung der anderen wirklich so wichtig, dass du weiter Dinge tust, die du eigentlich nicht mehr tun willst? Bedenke außerdem, dass du durch diese Haltung deinem Kind auch zwei für mich nicht erstrebenswerte Werte vorlebst: „Es ist wichtiger auf die Meinung anderer zu hören als auf meine Bedürfnisse!“ und „Ich muss im Leben Dinge tun, die ich eigentlich nicht will!“

8. Schritt: Variante B – Unser Konflikt

Wenn du für die Lösung des von dir auserkorenen Konfliktes dein Kind und/oder deinen Partner bzw. deine Partnerin brauchst, dann setzt euch in einer entspannten Situation zusammen, um darüber zu reden. Du könntest den Dialog mit folgenden Worten beginnen: „Ich habe in den letzten 14 Tagen beobachtet, dass wir immer wieder wegen … streiten. Ich möchte das nicht mehr. Was meint ihr dazu, wie wir das in Zukunft lösen könnten? Mir geht es dabei um …! Wie geht es euch dabei?“ So sammelt ihr Ideen, Gedanken, sprecht über eure Gefühle und schaut, was dabei an Lösungen ans Tageslicht kommt.

Wichtig ist bei einem Dialog, dass JEDER bereit ist, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen und ihr gemeinsam eine Lösung findet. Und dann probiert ihr für einen Zeitraum von ca. zwei Wochen aus, was ihr besprochen habt. Im Anschluss daran setzt ihr euch wieder zusammen und schaut, wie es sich für euch angefühlt hat. Was hat funktioniert? Was gehört warum verändert? Und dann probiert ihr wieder aus.

9. Schritt: Achte auf deine Erwartungen
  1. Gehe nicht davon aus, dass dein Kind immer völlig begeistert davon ist, wenn du z.B. beschließt, nicht mehr „Hotel Mama“ sein zu wollen. Dein Kind darf auch mit wütendem Gesicht den Geschirrspüler ausräumen. Dem Geschirr ist es egal!
  2. Erwarte nicht, dass dein Kind gleich beim ersten gemeinsamen Dialog SOFORT mit Lösungen kommt! Lade es ein, darüber nachzudenken und vereinbart einen neuen Termin für euer nächstes Zusammentreffen.
  3. Habe auch nicht den Anspruch, dass die Konfliktlösung sofort funktioniert oder du ab sofort gelassen z.B. auf das Bügeln der Wäsche verzichten wirst.

All das gehört geübt und braucht Geduld. Doch ich verspreche dir, das Ergebnis wird auf vielen Ebenen ein Geschenk für euch alle sein.

Ich freue mich wieder sehr über eure Rückmeldungen und Fragen.
Herzliche Grüße
Eure

Ines Berger

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