Teenager, Wut und Grenzen
Kommt dir dieser Dialog vielleicht bekannt vor?
Tochter: „Der Papa hat mir aber erlaubt, dass ich heute zu Hanna gehen und dort übernachten darf.“
Mutter: „Hast du deine Hausaufgaben erledigt und für die Matheschularbeit am Dienstag gelernt, so wie wir es besprochen hatten?“
Tochter: „Noch nicht. Das mache ich morgen, wenn ich nach Hause komme.“
Mutter: „Es war vereinbart, dass du es vorher erledigst.“
Tochter: „Das haben wir gar nicht vereinbart. Das hast DU bestimmt. Und ich muss jetzt weg, sonst komme ich zu spät.“
Mutter: „Dann hättest du dich an die Vereinbarung halten sollen. Du gehst nicht!“
Tochter geht zu Vater: „WIR haben gar nichts vereinbart! Papa, bitte sag der Mama, dass du es mir schon erlaubt hast.“
Vater zu Mutter: „Ach komm! Sie kann das ja morgen machen.“
Mutter: „Morgen ist sie müde, wenn sie nach Hause kommt. Und außerdem muss sie lernen, dass sie sich an die Vereinbarungen hält.“
Vater: „Aber wir waren ja auch mal jung.“
Mutter zu Vater: „Das darf ja nicht wahr sein. Jedes Mal fällst du mir in den Rücken.“
Mutter verlässt wütend das Zimmer.
Vater zu Tochter: „So, jetzt hast du es wieder einmal geschafft, dass wir deinetwegen streiten. Gratuliere! Du gehst jetzt auf dein Zimmer! Die Party hat sich erledigt!“
Tochter läuft heulend und schreiend in ihr Zimmer und schlägt die Tür laut zu.
Eine Szene, viele Verlierer*innen
Szenen, die dieser ähneln, kennen wahrscheinlich viele Eltern von Jugendlichen. Sie scheinen leider dazu zu gehören, wenn man Teenager „im Haus“ hat. Dabei wird so oft übersehen, dass diese Art der Kommunikation ein Machtkampf ist, der nur Verlierer hinterlässt:
- Ganz offensichtlich ist die Tochter eine Verliererin, der die Mutter nicht zugehört hat, und die nun auch nicht auf die Party gehen darf.
- Die zweite Verliererin ist die Mutter, die das Gefühl hat, dass ihr Mann ihr in den Rücken fällt und die sich in ihrer Erzieherrolle allein gelassen fühlt.
- Der dritte Verlierer ist der Vater, der nun wütend auf die Tochter ist, weil er ihretwegen mit seiner Frau gestritten hat, wobei er doch nur seine Tochter unterstützen wollte.
Ich habe dieses (zugegeben etwas überzeichnete) Beispiel ausgewählt, weil man daran sehr gut erkennen kann, wie schnell sich unterschiedliche Themenbereiche in einem einzigen Konflikt vermischen und entladen können – wenn Klarheit, gegenseitige Wertschätzung und vor allem die Kommunikation in Form des Dialogs auf der Eltern-Kind-Ebene, aber vor allem auch auf der Paarebene fehlen.
Themen vermischen sich
THEMA 1: „WIR haben nichts vereinbart. DU hast bestimmt!“ (Tochter zur Mutter)
Einer der Klassiker im Zusammenleben mit einem Teenager ist, dass Eltern sehr oft der Meinung sind, dass sich ihr Kind an eine gemeinsam getroffene Vereinbarung nicht hält.
Aus Sicht der Mutter ist das im obigen Beispiel auch durchaus nachzuvollziehen, da die Tochter ja ihre „Dinge“ nicht erledigt hat.
Doch wenn man genauer hinschaut bzw. hinhört, dann wird man feststellen, dass es aus Sicht der Tochter KEINE GEMEINSAME Vereinbarung, sondern ein Befehl der Mutter war, den die Tochter umzusetzen hatte. Ich erlebe es in meiner Praxis sehr häufig, dass Teenager zu bestimmten „Vereinbarungen“ JA gesagt haben, einfach nur deshalb, weil sie entweder keine andere Chance gesehen haben, oder weil sie der unangenehmen Situation der „Bedrängung“ durch die Eltern, die ihre Meinung durchsetzen wollten, einfach nur durch ihr schnell gesagtes JA entfliehen wollten.
THEMA 2: Vater erlaubt Tochter, zur Freundin zu gehen/Vater “fällt Mutter in den Rücken”
Hier ist sehr klar zu erkennen, dass sowohl die Eltern-Beziehung aber auch die Paar-Beziehung durch den Konflikt betroffen sind. Der Ursprung für solche Konflikte liegt oft darin, dass sich Mütter und Väter im Trubel des täglichen Lebens nicht immer die Zeit nehmen, um sich genau zu überlegen, was ihnen denn im Zusammenleben WIRKLICH wichtig ist.
Doch Jugendliche brauchen die Klarheit der Erwachsenen, denn diese sind alleine schon aufgrund ihres Eltern- und Erwachsenseins zu 100 Prozent für die Atmosphäre und das Gesprächsklima in der Familie verantwortlich. Jugendliche können diese Verantwortung nicht übernehmen.
THEMA 3: Tochter ist „Schuld“ am Streit der Eltern”
Die Verantwortung dafür liegt keinesfalls bei der Tochter. Erst die unklare Kommunikation der Eltern auf Paarebene hat es möglich gemacht, dass diese Situation eskaliert ist. Es liegt also auch da in der Verantwortung der Eltern, dass sie durch ihre misslungene Kommunikation in diese Situation gekommen sind.
Die Lösung: Teenager & Eltern schauen gemeinsam über den Tellerrand
Viele Konflikte im Zusammenleben mit Jugendlichen haben ihren Ursprung darin, dass nun die lange Zeit gelebten Verhaltensmuster in Frage gestellt werden. Aus Kindern, die (fast) alles, was die Eltern entschieden hatten, ungefragt als richtig hingenommen haben, werden junge Menschen, die beginnen sich abzunabeln. D.h. sie schauen über den Tellerrand der eigenen Familie hinaus, was es denn auf dieser Welt sonst noch gibt. Viele Entscheidungen werden hinterfragt.
Die Standardfrage meiner Tochter in dieser Zeit lautete: „Sagt WER?“ Und diese Frage birgt die große Chance, dass Eltern nun gemeinsam mit ihren Kindern wachsen können, indem sie ihre eigenen Werte und Glaubenssätze auf den Prüfstand stellen. Denn mit „tut man“, „gehört sich“, … geben sich Teenager nicht mehr zufrieden. Sie suchen die Eltern hinter den „MANS“, und wenn Eltern sich auf diesen Perspektivenwechsel einlassen, dann bietet sich für die ganze Familie, aber auch für das Paar die große Chance, ihre Beziehungen und ihr Tun darin neu zu entdecken.
Welche Erfahrungen hast du deinen Kindern gemacht?
Hast du auch Tipps für uns parat?
Ich wünsche dir einen wundervollen Tag und freue mich wie immer auf deine Anregungen, Kommentare und Fragen.
Herzliche Grüße
Ines Berger
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