Gemeinsam mit deinem Kind gelassen und freudvoll durchs Schuljahr

In Österreich ist das neue Schuljahr gerade einmal 2 bzw. 3 Wochen alt und bereits jetzt ist in vielen Familien schon wieder der tägliche Schulstress eingezogen. In meinem heutigen Artikel lade ich Eltern ein, ein wenig innezuhalten und sich Gedanken darüber zu machen, ob sie der Schule wirklich DEN Stellenwert geben wollen, den sie in vielen Familien leider hat. Das Thema Schule ist  oft das einzige Thema, über das mit den Kindern gesprochen wird. Das berichten mir zumindest viele Eltern, aber auch Kinder und Jugendliche: „In unserer Familie geht es nur mehr darum, ob ich genug lerne, meine Hausübungen erledige, mich früh genug auf Tests, Schularbeiten und Prüfungen vorbereite und ob meine Noten – in den Augen meiner Eltern – gut genug sind. Über andere Themen wird bei uns kaum mehr gesprochen.“

Dabei ist Schule und das Regelsystem Schule – auch wenn es meiner Meinung nach weit weg von optimal ist – einerseits ja eigentlich nur ein Ort, an dem sich Kinder und Jugendliche Wissen aneignen sollten, das es ihnen später hoffentlich ermöglicht, den Beruf ausüben zu können, der sie glücklich und zufrieden ihren Lebensunterhalt verdienen lässt. Andrerseits ist Schule auch der Ort, wo Kinder und Jugendliche in Interaktion mit anderen Schülerinnen und Schülern, aber auch mit Lehrerinnen und Lehrern, lernen, wie soziale Beziehungen gelebt werden können. Dabei lernen sie Strategien im Umgang mit anderen, sie machen Fehler, sie erleben Enttäuschungen, sie schätzen andere vielleicht falsch ein, sie werden manchmal von ihren Freunden ausgeschlossen, sie lernen fürs Leben. Und all diese Erfahrungen lassen Kinder und Jugendliche, wenn sie auf ihrem Weg gut unterstützt werden, wachsen und reifen. Diese Erfahrungen gehören zum Leben und besonders zum Erwachsen werden dazu. Deshalb braucht es Erwachsene (Eltern genauso wie Lehrerinnen und Lehrer), die wie Leuchttürme in der Brandung stehen und die den Kindern vertrauen, dass sie IHREN Weg gehen werden.

Es braucht Erwachsene im Allgemeinen, aber Eltern im Besonderen,
  • die den Jugendlichen erlauben, ihre eigenen Fehler zu machen, die sie in den Arm nehmen und trösten –  ohne ein besserwisserisches „Ich hab es dir ja gesagt!“.
  • die es aushalten, dass Jugendliche Enttäuschungen und Ungerechtigkeiten erleben, dass sie auf die Nase fallen, dass sie schlechte Noten nach Hause bringen, dass sie traurig und manchmal auch verzweifelt sind.
  • die Jugendliche begleiten und gemeinsam mit ihnen nach Lösungen suchen, anstatt ihnen zu sagen, was sie zu tun haben und was sie glauben, was das Beste für sie ist.
  • die darauf vertrauen, dass Kinder und Jugendliche IHREN EIGENEN Weg gehen werden, unabhängig davon, ob das der Weg ist, den Andere oder die Eltern selbst gehen würden.
  • die Jugendliche motivieren, an sie glauben, die ihnen zuhören und anstatt Lösungen zu bieten   einmal nur anerkennen: „Aha, so geht es dir gerade!“
  • die bereit sind, gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen zu wachsen, diese in ihren Bedürfnissen ernst zu nehmen und sich auch zu entschuldigen, wenn sie einen Fehler gemacht  haben.
Kinder und Jugendliche brauchen keine Erwachsenen (Eltern),
  • die jegliche Unebenheit auf dem Weg der Heranwachsenden glatt bügeln, weil sie es nicht aushalten, dass das Kind/der Jugendliche traurig, frustriert oder sogar verzweifelt ist.
  • die Konflikte für die Heranwachsenden führen, anstatt darauf zu vertrauen, dass diese der/die Jugendliche (mit Unterstützung) selbst lösen kann.
  • die ständig überprüfen, ob die Hausübungen erledigt, die Schultaschen gepackt, Termine eingehalten werden und rechtzeitig gelernt wird.
  • die ihnen vergessene Schulsachen, Jausenbrote, Unterschriften, … bis in die Sekundarstufe nachbringen, damit sie keine Konsequenzen tragen müssen.
  • die ihnen jedes Mal, wenn sie einen Fehler gemacht haben, ein besserwisserisches „Ich hab es dir ja gesagt“ um die Ohren werfen.
  • die Gefühlsausbrüche der Jugendlichen mit einem „So schlimm ist das auch wieder nicht“ abtun, statt sie liebevoll anzuschauen und zu sagen: „Mist. Das fühlt sich sicher Sch… an. Wie geht es dir denn gerade? Magst du mir darüber mehr erzählen?“
  • die permanent Angst haben, dass aus dem Jugendlichen „nichts wird“, wenn die Noten nicht so sind, wie die Erwachsenen sich das vorstellen.
  • die davon überzeugt sind, dass sie als Erwachsene genau wissen, was das Kind braucht, was gut für es ist, anstatt sich liebevoll gemeinsam mit dem Kind auf die Suche nach dessen Stärken zu machen und herauszufinden, was denn das Kind will.
Aus eigener Erfahrung lernen

Ich erlebe als Lehrerin und Beraterin fast täglich Kinder und Jugendliche, die darunter leiden, dass ihnen ihre Eltern einfach nicht zuhören: „Sie sagen zwar, dass sie mich verstehen, und dann kommt ständig ein ABER. Die verstehen eben nichts. Sie wollen mich gar nicht verstehen. Sie wollen nur, dass ich mache, was sie wollen, dass ich IHREN Weg gehe, den sie sich für mich ausgesucht haben.“ Diese Worte sind die Quintessenz dessen, wie es Jugendlichen mit sehr vielen Erwachsenen geht. Eltern haben einen Plan, welche Schule für das Kind die richtige ist, welchen Beruf das Kind ausüben soll, wie das Leben ihres Kindes einmal aussehen soll. Und dabei vergessen sie sehr oft, das Kind zu fragen, was es sich denn wünscht, was es denn will. Wenn ich Eltern dann im Gespräch darauf aufmerksam mache, dann kommt oft ein: „Ja, aber meine Tochter/mein Sohn weiß das ja selbst nicht. In diesem Alter fehlt ihnen ja der Weitblick.“ Meine Antwort lautet darauf stets: „Das mag schon sein, dass ihr Kind das momentan noch nicht weiß, aber es weiß im Normalfall genau, was es NICHT will. Ihr Kind darf jetzt herausfinden, wie SEIN Weg einmal ausschauen wird, und dabei darf es auch Fehlentscheidungen treffen.“

Ich kenne Jugendliche, die absichtlich in der Schule durchgefallen sind, damit sie schlussendlich in die Schule gehen durften, in die sie gehen wollten.
Ich kenne junge Erwachsene, die das Abitur absichtlich schlecht geschrieben haben, damit sie den NC verpassen und nicht Medizin studieren müssen. …

Erwartungen und Vorstellungen von Jugendlichen

Beispiele wie diese gibt es leider viele. Und ich behaupte, dass dabei ALLE Eltern in bester Absicht handeln, aber sehr oft ist es nicht das, was die Kinder und Jugendlichen als das Beste für sich selbst empfinden. Sie fühlen sich als das Objekt ihrer Eltern, deren Erwartungen und Vorstellungen sie erfüllen sollten. „Keiner denkt dabei daran, wie es mir geht, wenn ich täglich in eine Schule gehen muss, in die ich nicht wechseln wollte. Ich weiß ja, dass sie das Beste für mich wollen, aber für mich ist es jeden Tag ein Alptraum. Ich will einfach wieder in meine alte Schule, in der ich mich sooo wohl gefühlt habe.“, erzählte mir eine meiner jungen Klientinnen.

Dabei sind die Bedürfnisse von Kindern eigentlich sehr einfach zu erfüllen, doch es braucht reflektierte Erwachsene, die bereit sind, gemeinsam mit den Kindern DEREN Weg gehen zu WOLLEN. Dabei ist allerdings vielen Eltern (das trifft auch auf die Autorin selbst zu) oft ihre Angst und ihre eigene Geschichte im Weg. Doch Eltern müssen diesen Weg nicht alleine gehen. Eltern dürfen sich professionellen Rat holen, sie dürfen sich erlauben, auch nicht zu wissen, was zu tun ist. Sie dürfen sich erlauben, täglich Fehler zu machen, sich zu entschuldigen und den Weg weiterzugehen. Sie dürfen ihre Ängste und Einschränkungen ihren Kindern kommunizieren. Damit sind sie ihren Kindern ein großes Vorbild. Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Kinder brauchen Eltern, die bereit sind, ihrem Kind OHNE WENN UND ABER zuzuhören und sich selbst dabei zu entwickeln und zu wachsen.

Ich freue mich auf eure Meinungen und Kommentare.

Herzlichst

Eure Ines

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„Schule ist Beziehung“ dient als Kompass durch den alltäglichen Beziehungsdschungel in der Schule und im Familienleben. Ziel ist es, den Blick auf das Thema „Schule“ zu „enternstln“, damit Schule nicht mehr als Last, sondern als Ort der Freude und Leichtigkeit wahrgenommen wird. Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass der schulische Duft in der Bäckerei von Freude und Leichtigkeit geprägt ist.