Die befreiende Erkenntnis, dass auch Eltern nicht perfekt sein müssen.

Wenn der Marathon im Kopf beginnt

Stell dir vor, du willst einen Marathon laufen.
Und du kommst damit zu mir – ich bin, sagen wir mal, eine erfahrene Marathontrainerin.

Wir sprechen über Trainingspläne, passende Schuhe, Rückschläge, Ernährung, Motivation.
Du gehst aus dem Gespräch und denkst:
„Yes! Jetzt geht’s los! Ich komme meinem Ziel näher!“

Aber klar ist auch:
Du wirst nicht morgen 42 Kilometer laufen.

Du startest. Schritt für Schritt.
Du weißt:
Das braucht Zeit. Übung. Rückschläge. Und Geduld. ⏳

Und jetzt die Frage:
Warum glauben wir, dass das bei der Elternschaft – besonders in der Pubertät – anders laufen müsste?

Erwartungsauffällig. Erwartungsgestört. Und ziemlich menschlich.

Vielleicht hast du die Begriffe schon einmal gehört:
„erwartungsauffällig“ und „erwartungsgestört“
zwei Ausdrücke, für die ich inzwischen fast schon ein bisschen berühmt-berüchtigt bin. 😅

Sie sind meine augenzwinkernde Antwort auf die pädagogischen Bezeichnungen
„verhaltensauffällig“ und „verhaltensgestört“,
mit denen oft über Kinder gesprochen wird.

Ich habe sie umgedreht – und auf uns Erwachsene angewendet.
Denn ehrlich:
Wie oft sind es eigentlich unsere Erwartungen, die alles so schwer machen?

Wenn Eltern sich selbst überfordern

In meinen Workshops, Beratungen oder dem Pubertätscafé sitzen regelmäßig warmherzige, engagierte Eltern – und verzweifeln.
Nicht, weil sie nichts wissen.
Sondern weil sie glauben, sie müssten längst …

🔹 ruhig bleiben
🔹 empathisch reagieren
🔹 nie schreien
🔹 alles im Griff haben
🔹 nichts persönlich nehmen

Gleichzeitig denken sie, ihr Kind müsste:

🔹 die Hausübung fehlerfrei und freiwillig erledigen
🔹 in der Schule bestehen – ohne Drama
🔹 das Handy weglegen – sofort und ohne Diskussion
🔹 kooperativ sein – auch wenn’s innerlich stürmt

Ernsthaft?!

Du musst das nicht einfach können

Wenn ich dich bitten würde, mein Auto zu reparieren –
und du bist keine Automechanikerin –
dann würdest du wahrscheinlich sagen:
„Tut mir leid, das kann ich nicht.“

Punkt.
Ohne Schuldgefühle.
Ohne inneres Drama.

Aber wenn es um die Begleitung unserer Kinder geht,
glauben wir plötzlich:

🔹 Ich müsste das wissen.
🔹 Ich müsste das können.
🔹 Ich dürfte damit nicht überfordert sein.

Dabei vergessen wir:

🛠️ Kinder kommen nicht mit einer Gebrauchsanleitung auf die Welt.
🛠️ Und wir Eltern übrigens auch nicht.

Alte Gefühle in neuen Situationen

Die Wahrheit ist:
Wenn wir unsere Kinder begleiten – besonders in der Pubertät –
stoßen wir nicht nur auf ihre Emotionen, sondern auch auf unsere alten.

👣 Die Angst, nicht gut genug zu sein
👣 Die Wut, die wir nie ausdrücken durften
👣 Die Traurigkeit, die wir gelernt haben zu verstecken

Und das ist der eigentliche Marathon.
Nicht der mit den Kilometern.
Sondern der mit den inneren Wegen.

Ein Satz, der befreit

Wenn du merkst, dass du dich selbst innerlich unter Druck setzt,
dann erinnere dich an diesen Satz von Viktor Frankl:

„Ich muss mir nicht alles gefallen lassen – auch nicht von mir selbst.“

Auch nicht den Anspruch, alles richtig machen zu müssen.
Auch nicht die Idee, immer stark, souverän oder ausgeglichen sein zu müssen.

Und jetzt?

Vielleicht magst du dir einen Moment Zeit nehmen – und dich ehrlich fragen:

🔸 In welchen Situationen bin ich erwartungsauffällig – mir selbst oder meinem Kind gegenüber?
🔸 Was glaube ich gerade können zu müssen – obwohl ich’s nie geübt habe?
🔸 Wo denke ich, ich müsste „es einfach können“ – statt es Schritt für Schritt zu lernen?
🔸 Und wie wäre es, heute nur einen kleinen Schritt zu machen – statt gleich 42 Kilometer?

Fazit: Du darfst wachsen. Und dein Kind auch.

Du musst nicht perfekt sein.
Dein Kind auch nicht.
Aber ihr dürft euch entwickeln.
Miteinander.
Mit Umwegen.
Mit Rückschritten.
Mit echtem, unperfektem, menschlichem Wachstum. 🌀

Und genau darum geht’s.
Nicht um Leistung. Sondern um Beziehung.

Von Herzen
Ines Berger 💌

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