Dieser Artikel ist der Anfang einer kleineren Serie, die sich besonders mit der „Pubertät“ auseinandersetzt.
Das Thema Pubertät begleitet mich – abgesehen von meiner eigenen Pubertät – nun schon seit mehr als 30 Jahren: als ehemalige Lehrerin für Mathematik, Latein, Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen in der AHS, als Eltern-und Familienberaterin und Teens-Coach durfte und darf ich mit Eltern und Jugendlichen arbeiten. Als Mutter zweier mittlerweile erwachsener Kinder steckte ich viele Jahre auch emotional mitten im Prozess des Erwachsenwerdens meiner Kinder.
Der Auslöser für die Beschäftigung mit diesem Thema war für mich ein sehr persönlicher. Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit und meines persönlichen Umfeldes war und bin ich sehr oft mit unglücklichen, unverstandenen Jugendlichen und nicht weniger unglücklichen und verzweifelten Erwachsenen konfrontiert. Und in der intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema bin immer wieder zur Überzeugung gelangt, dass jede Krise, jeder Konflikt, jedes Problem als wirkliche Chance zur persönlichen Weiterentwicklung gesehen werden kann. Dafür braucht es eigentlich „nur“ einen Perspektivenwechsel.
Pubertät als Chance
Und für uns Eltern ist die Pubertät der eigenen Kinder immer auch eine Chance, noch einmal über die eigenen Wertvorstellungen und unseren Lebensplan nachzudenken und zu reflektieren. Die Jahre der Pubertät meiner Kinder und die „Zusammenarbeit“ mit meinen jugendlichen Schüler*innen haben mir die Möglichkeit eröffnet, mich gemeinsam mit ihnen zu entwickeln und zu wachsen. Ohne meine Kinder säße ich jetzt nicht am Computer und schriebe diesen Artikel. Ihr hartnäckiges „Dranbleiben“ herauszufinden zu wollen, wer denn ihre Mutter – abgesehen von der Mutterrolle – in Wirklichkeit ist, welcher Mensch denn da in ihrer Mutter steckt, hat es mir (oft auch schmerzlich) ermöglicht, herauszufinden, wer ich denn wirklich bin. Und ich bin noch nicht am Ende meines Weges oder wie es ein lieber Freund und Pater einmal, als ich ihn fragte: „Und wann bin ich endlich mit dieser mühsamen Persönlichkeitsentwicklung fertig?“ so treffend formulierte: „Dann, meine Liebe, ist es Zeit zu gehen!“ Damals beschloss ich, mich damit abzufinden, dass wir ein Leben lang lernen. Oder wie es Gerald Hüther einmal ähnlich formulierte: „Wenn wir aufhören zu lernen, hören wir auf zu leben!“
Mein Appell richtet sich sowohl an alle Eltern als auch an Pädagog*innen, diese für die Entwicklung der Jugendlichen so wichtigen Lebensjahre nicht zu fürchten, sondern diese Herausforderung dankbar als Chance zur eigenen Weiterentwicklung anzunehmen.
„Die Jugend hat keine Manieren und missachtet jegliche Autorität; sie gibt ihren Eltern nichts als Widerworte und tyrannisiert zu allem Überfluss die Pädagogen.“ Dieses Zitat, das dem griechischen Philosophen Sokrates aus dem 5. Jhdt. v. Chr. zugeschrieben wird, lässt leicht erkennen, dass das Thema Pubertät kein neues ist. Ich wage zu behaupten, dass es bisher in der Menschheitsgeschichte keine Generation gab, die nicht damit konfrontiert war, dass Kinder sich zu Erwachsenen entwickelten und dabei die Werte der Elterngeneration gehörig ins Wackeln brachten.
Allerdings scheint es für mich ein Phänomen der heutigen Zeit zu sein, dass die Jugendlichen während dieses Prozesses, der früher eher unaufgeregt und selbstverständlich abzulaufen schien, heute unter ständiger Beobachtung stehen. Eltern setzen sich oft schon Jahre zuvor mit dem Thema auseinander, dass es den Anschein hat, als schwebe die kommende Pubertät der Jugendlichen wie ein Damoklesschwert über vielen Familien.
Auf die Denk- und Sichtweisen der Jugendlichen einlassen
Mein großes Anliegen ist es, den Eltern diese Angst und Unsicherheit zu nehmen. Für mich bedeutet das Heranwachsen von Kindern zu Erwachsenen eine große persönliche Herausforderung, der ich mich immer wieder gerne stelle. Ich empfinde es als unglaublich bereichernd, mich auf die Denk- und Sichtweisen der Jugendlichen einzulassen und von ihnen zu lernen. Gleichzeitig sehe ich es aber auch als meine Aufgabe, für sie da zu sein, wenn sie jemanden brauchen, der ihnen einfach nur zuhört und sie mit ihren Problemen und Themen ernst nimmt. Denn die wirkliche Veränderung bedeutet die Pubertät für die Jugendlichen.
Abgesehen von der massiven körperlichen Veränderung befinden sie sich während dieser Zeit auch in einer Art Zwischenwelt. Sie sind keine Kinder mehr, aber auch noch keine Erwachsenen. Und um diese Übergangsphase mit all ihren Entwicklungsschritten seelisch gesund zu bewältigen, dafür brauchen die uns anvertrauten Jugendlichen unsere volle Unterstützung.
„Es gibt wirklich sehr wenige Probleme in unserem Leben. Es gibt jedoch eine ganze Menge an Tatsachen, auf die wir uns in einer mehr oder weniger problematischen Weise beziehen können. Pubertät ist eine dieser Tatsachen.“ (Jesper Juul, Pubertät)
Den wichtigsten Teil meiner Arbeit, sehe ich darin, Eltern aber auch Pädagog*innen zu ermutigen und dabei zu begleiten, wie es konkret möglich ist, eine Beziehung auf Augenhöhe zu Jugendlichen aufzubauen, die es den Teenagern möglich macht, zu seelisch gesunden Erwachsenen heranzuwachsen. Dafür baue ich gemeinsam mit den Erwachsenen ein „Buffet“ aus konkreten Übungen und Verhaltensänderungen auf, damit Entwicklung in Babyschritten möglich wird.
Denn wie Monika Czernin und Remo Largo bin auch ich fest davon überzeugt, dass
„die wirksamste Medizin gegen die Angst bei den Erwachsenen und die beste Unterstützung für das jugendliche Kind ist, darauf zu vertrauen, dass es sein Bestes geben wird, um zu dem Menschen zu werden, der in ihm angelegt ist. Dies zu ermöglichen ist unsere Aufgabe. Wir Erwachsene müssen die Jugend tatkräftig bei der Bewältigung ihrer schwierigen Entwicklungsaufgaben unterstützen.“ Denn Jugendliche sind weder das Problem noch die Ursache der Probleme. Sie machen nur das, was sie machen müssen: nämlich wachsen. (Jesper Juul)
In meinen nächsten Artikeln werde ich einerseits dazu einladen, dich im Rückblick nochmals mit deiner eigenen Pubertät auseinanderzusetzen, und andrerseits einen Perspektivenwechsel im Blick auf das Verhalten von Jugendlichen anregen. Dafür werde ich dir auch konkrete Beispiele und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
Ich freue mich schon jetzt auf deine Kommentare und auch gerne deine Fragen.
Alles Liebe
Ines
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